Ist schon einige Tage her, aber ggf. bringt es den einen oder anderen bekennenden Warmwasserangler doch auf die Idee, es mal mit den Fischen nördlich des Polarkreises in einer einmaligen Naturkulisse aufzunehmen!
Kalter Schweiß perlt auf meiner Stirn. Seit mehr als 2 Stunden plagt mich dieses flaue Gefühl im Bauch. Im Takt der Dünung hebt und senkt sich mein Magen samt noch verbliebenem Inhalt. Eine vollkommen neue Erfahrung für mich. War ich doch nach sehr vielen Tagen bei wesentlich ungemütlicherem Wetter auf See fest der Annahme, dass mein Körper für jegliche Symptome der Seekrankheit vollkommen unempfänglich sei.
Weit gefehlt!
Wir dümpeln jetzt zu zweit seit ungefähr drei Stunden in unserem offenen Hansvik Boot vor der traumhaften herbstlichen Kulisse der Insel Vannoya, 2.500 km vom heimischen Haus und Hof entfernt.
Saftig grünes Moos und schneeweiße Flechten auf den sonst kargen grauen Felsen liefern einen wunderschönen Kontrast zu dem bunt gefärbten Laub der kleinen verkrüppelten Birken am Ufer des Fjordes.
Die Herbstsonne taucht das leicht gekräuselte Wasser in einen bleiernen Glanz.
Hier sollte er nach weit über 30 Norwegentouren endlich in Erfüllung gehen, der Traum vom Fang eines Heilbutts!
Auf unserem schaukelnden Boot hatte ich jedoch zunächst den Preis für nur wenige unruhige Stunden des Schlafs in den letzten 3 Nächten und die Belastungen einer insgesamt etwa 40-stündigen Autofahrt zu zahlen. Immer wieder werde ich vom Würgereflex übermannt.
Getreu dem Motto „ein Indianer kennt keinen Schmerz“ bade ich tapfer meinen 300 Gramm schweren Gummifisch über einem kleinen Plateau auf einer Tiefe von ca. 40 Metern.
Bis auf einen kleinen Lumb hat sich trotz meines kräftigen „Anfütterns“ noch kein Fisch für unsere Köder interessiert.
Bei leichter Drift öffne ich den Freilauf der 12er Tiagra und lasse den integrierten Bleikopf des Gummifisches hart auf den sandigen Grund aufschlagen. Noch während ich den Köder etwa 5 Meter über Grund anhebe gibt es unvermittelt einen kräftigen Schlag, der den Blank meiner Sportex Magnus bis ins Handteil durchbiegt. Es folgt eine rasante Flucht, bei der mein noch unbekannter Gegenspieler etwa 30 Meter Schnur gegen die gut eingestellte Bremse von der Rolle zerrt. Mit einem kurz und knappen über die Schulter geworfenen Ausruf „das ist ein Butt“ verleihe ich dann meiner Hoffnung Ausdruck, wer sich da den Gummifisch gegriffen haben könnte!
Nach und nach kann ich die ersten zehn bis zwanzig Meter Schnur zurück auf die Rolle holen. Die Bewegungen des Fisches sagen mir – es hängt kein Monster, keine „Tischplatte“ am Haken, aber dennoch ein ganz ordentlicher Fisch, zudem sehr wahrscheinlich mein erster Butt, da spielt die Größe ohnehin eine eher untergeordnete Rolle!
Mitten in diesen Gedanken während des Drills erschlafft plötzlich die Schnur. Eine lautes „Schxxxxx ausgeschlitzt“ schallt über den Fjord.
Langsam straffe ich die Schnur und versuche Kontakt zum Gummifisch zu bekommen, der irgendwo ohne den ersehnten Fisch im Mittelwasser taumeln müsste.
So unvermittelt, wie ich den Kontakt zum Fisch verloren hatte, war er plötzlich wieder da!
Die nächste Flucht „meines“ Butts ließ die Enttäuschung über den vermeintlichen Verlust schlagartig verschwinden! Übelkeit und Schlafdefizit waren in diesem Augenblick kein Thema mehr. Alles was zählte, war die sichere Landung dieses Fisches!
Hoffen und Bangen, kaum zu beschreibende Achterbahn-Emotionen, begleiteten den etwa zehn Minuten andauernden Drill. Am anderen Ende der Leine kämpfte verbissen mein lang ersehnter Wunschfisch aus norwegischen Gewässern und ich wollte ihn um nichts in der Welt wieder verlieren. Zu viele Stunden, Tage und Wochen hatte ich erfolglos um diesen Fisch herumgeangelt!
Dann taucht er zum ersten Mal direkt am Boot auf, in genau der Art und Weise, wie ich es viele Male zuvor auf Videos bestaunen durfte – Kopf voran , den Körper leicht durchgebogen und den Schwanzteil in einem spitzen Winkel nach unten gerichtet, bestätigt der marmorierte Flachmann meine Vermutung – ein guter Heilbutt– endlich !!!
Auch wenn es keinesfalls nötig gewesen wäre, so bitte ich Hein dennoch, diesen Fisch mittels der mitgeführten Harpune „zu sichern“! Als hätte er in seinem Leben bisher nichts anderes getan, trieb Hein dann auch mit dem ersten Versuch dem Flachmann den Stahl genau an der perfekten Stelle durch den Körper. Trotz einer letzten verzweifelten Flucht gelang es dem Butt danach nicht mehr zu entkommen und nach weiteren 5 Minuten lag er im Boot!
Überglücklich, nach ungezählten Stunden der erfolglosen Jagd nach diesem Phantom konnte ich nun wieder ruhig atmen und genoss es einige Minuten den Fisch zu betrachten.
Die Ergebnisse des anschließenden Messens und Wiegens ergaben 17,5 kg bei 117 cm Länge.
Schon am ersten Angeltag dieser Tour hat sich damit mein Traum erfüllt. Die Filets des Fisches wandern eine Stunde später in den Kühlcontainer der Anlage von Torsvag. Mit diesen Filets wird mir der Butt nach dem schönen Kampf zum zweiten Mal Genuss bereiten, dann auf dem Teller mit einem guten Rießling dazu.
Nach dem Versorgen des Fisches falle ich am helllichten Tag für die nächsten 6 Stunden in einen traumlosen Schlaf.
Diesem wunderschönen Tag folgten weitere tolle Erlebnisse auf dem Wasser rund um Vannoya. Neben strammen Dorschen, schönen Schellfischen und einem Seeteufel, fing auch mein Begleiter noch einen Butt. Leider ist ihm am vorletzten Tag noch ein wirklich guter Fisch nach einer nicht zu bremsenden ersten Flucht vom Haken abgekommen.
Zum „Anfüttern“ bin ich an den kommenden Tagen dann nicht mehr gekommen, wahrscheinlich blieb es deshalb bei diesem einen Heilbutt.
Diese Tour hat sich ganz tief in meine Erinnerungen eingebrannt, auch, aber nicht nur wegen des ersten Butts! Das Gesamterlebnis lässt diesen Trip, mit der sehr speziellen Flora und Fauna weit nördlich des Polarkreises, zu einem unvergesslichen Abenteuer werden.
So haben wir „ganz nebenbei“ mit der Ernte auf einem natürlichen Pfifferlingsfeld für die Beilage zum Mittagsmahl von 14 Leuten beigetragen! Ein Minkwal drehte etliche Minuten seine Bahnen um unser Boot, Seeadler zogen ihre Kreise über unseren Köpfen, Robben tummelten sich in Reichweite unseres Bootes spielend im Wasser und auf der Rückfahrt konnten wir mehrere Lachse und Meerforellen beim Laichaufstieg in einen kleinen Fluss nördlich von Narvik beobachten. Was für tolle Erlebnisse – Wahnsinn!
Es ist einfach unglaublich faszinierend, wie man auch nach so vielen Touren immer wieder aufs Neue von diesem Land in den Bann gezogen wird!
Norwegen – ein Traum für jeden leidenschaftlichen Angler! Norwegen – ein Muss für jeden Naturliebhaber!